von Ulrike Mascher
Das Projekt „mundArt“ lässt Menschen in ihrem Dialekt zu Wort kommen – und stößt damit auf große Resonanz.
Jan Müller mit dem rätselhaften „r“ ist einer der zehn Protagonisten des Projektes „mundArt“, das die Landesversammlung mit Unterstützung des Bundesministerium des Inneren verwirklicht hat. Auf der Internetplattform www.mundart.landesversammlung.cz stellen Tonaufnahmen, Fotos und kurze Biografien die Menschen, ihr Leben und ihre Mundart vor. Dafür ist Simon Römer einen Winter lang durch Nordböhmen gereist und hat mit Menschen im Alter zwischen 76 und 90 Jahren gesprochen. Und zwar in ihrer Mundart: „Das war nicht immer ganz einfach“, erinnert sich Simon Römer. „Die meisten meiner Gesprächspartner sprachen erst einmal bestes Hochdeutsch mit mir. Der Dialekt ist etwas, das man häufig nur im familiären Kontext benutzt hat und benutzt. Da gibt es also eine gewisse Scheu“, erklärt der 26-Jährige, der selbst auch den erzgebirgischen Dialekt spricht und die Gespräche kurzerhand einfach in seinem eigenen Dialekt führte. „Mit Frau Vaňková aus Quinau/Květnov zum Beispiel war das ganz einfach. Wir sprechen dieselbe Mundart und haben uns wunderbar verstanden.“ – Und das obwohl dazwischen eine Staatsgrenze liegt.
Dialekt ist ein Stück Heimat
Die Sprecher stammen aus dem Erzgebirge und dessen Vorland, dem Schluckenauer Zipfel, dem Isergebirge sowie dem Riesengebirge. Ihre Mundart bildet einen ihrer wichtigsten Identitätsanker. „Durch die Erfahrung der Verschmelzung mit der tschechischen Mehrheitsgesellschaft ist die Beschäftigung mit der eigenen Identität und Sprache zu einer Notwendigkeit geworden und gerade das Pflegen der Mundart wird so zu einem wichtigen Kompensationsmechanismus. In ihrem Dialekt lebt auch die Heimat der Sprecher“, so LV-Präsident Martin Dzingel, der das Projekt angestoßen hat. Ihre Mundart ist für die Protagonisten auch ein Rückzug in eine vergangene Welt, ein geöffnetes Türchen in ein heimisches und heimliches Museum – nicht nur zu einer früher blühenden Sprachlandschaft, sondern auch zu den kulturellen Wurzeln der Sprecher.
Zu der Präsentation des Projektes Mitte April war eine Vielzahl an Interessierten in das Prager Haus der nationalen Minderheiten gekommen. Dr. Boris Blahak, DAAD-Lektor an der Karlsuniversität, kam mit seinen Studenten, die sich gerade im Rahmen eines Seminars mit dem sudetendeutschen Thema beschäftigen. Gespannt lauschten sie der Präsentation von Simon Römer, der ganz praktisch von seinen Erlebnissen im Rahmen von mundArt erzählte. „Das Projekt ist sehr berührend. Es ist nicht nur wissenschaftlich, sondern auch menschlich hochinteressant, denn die Protagonisten erzählen zum Teil sehr emotional aus ihrem Leben“, resümierte Dr. Astrid Winter, Leiterin des DAAD-Informationszentrums in Prag.
Der anschließende wissenschaftliche Vortrag von Dr. Arnim Bachmann, der die verschiedenen deutschen Mundarten in Tschechien und den Mundartatlas, der Ende des Jahres erscheinen soll, vorstellte. „Dieser Sprachatlas soll die aussterbenden deutschen Mundarten in den Ländern der böhmischen Krone in einem mehrbändigen Kartenwerk bewahren“, so der Linguist. Der Leiter des DFG-geförderten Dreiländerprojektes zwischen Deutschland, Tschechien und Österreich lobte das Projekt mundArt, da es die Sprachzeugnisse als solche bewahre und äußerte den Wunsch, dass das Projekt auf die gesamte Tschechische Republik ausgeweitet werden solle.
Unsere Sprache bildet unsere Realität ab, prägt unsere Lebenswelten und sagt viel über uns selbst aus – und schon Dichterfürst Johann Wolfgang Goethe wusste: „Beim Dialekt fängt die gesprochene Sprache an.“
Hier geht’s zum Internetauftritt:
www.mundart.landesversammlung.cz
Die Bilder von der Präsentation des Projektes finden Sie hier.