Preisträger

‚‚Johnny‘‘-Klein-Preis 2023

1. Preis: Kilian Kirchgeßner

‚‚Freundliche Übernahme‘‘

  • Laudatio von Hartmut Koschyk - Stiftung Verbundenheit

    Laudatio für Kilian Kirchgessner anlässlich der Verleihung des 1. Preises des "Johnny"-Klein-Preises für deutsch-tschechische Verständigung 

    Bei der heutigen 4. Verleihung des Johnny Klein - Preises für deutsch-tschechische Verständigung wird der in Prag mit seiner Frau und den zwei Kindern lebende Journalist Kilian Kirchgessner zum 2. Mal mit dem 1. Preis ausgezeichnet. Am 24. November 2018 erhielt er ihn an gleicher Stelle für seine Reportage „Das Vermächtnis“, die seinerzeit im Deutschlandfunk in der Sendung „Gesichter Europas“ ausgestrahlt wurde, den 1. Preis des Johnny Klein - Preises für deutsch-tschechische Verständigung. Darin erzählt der seit 2005 aus Tschechien und der Slowakei berichtende freie Journalist über „ungewöhnliche Freundschaften“ von deutschen Heimatvertriebenen und deren Nachkommen mit Bürgern aller Generationen in der Tschechischen Republik. In der heute auszuzeichnenden Erzählung „Freundliche Übernahme - Spukt oben auf dem Dachboden der Deutsche, der hier einmal gewohnt hat?“, webt Kilian Kirchgessner verschiedene Begebenheiten wunderbar ineinander, um seiner Leserschaft mitzuteilen, dass er, der ohne jeden familiären Bezug zu Tschechien seine journalistische Bestimmung in diesem Herzland Europas gefunden hat und sich inzwischen selbst als Teil des vielfältigen Beziehungsgeflechts zwischen Deutschen und Tschechen in Böhmen, Mähren und Schlesien begreift. Als Leser seines Beitrages wird man auf eine Zeitreise von Kreibitz nach Kittlitz mitgenommen, zwei neu Kilometer entfernten Orten auf der heute tschechischen Seite der Böhmisch Sächsischen Schweiz. Der Handlungsrahmen dieser Zeitreise ist der Erwerb eines Ferienhauses in Kreibitz / Chripská durch Florian Kirchgessner, das vor ihm einem kommunistischen Funktionär gehört hat, in dem aber bis zur Vertreibung Sudetendeutsche gelebt haben. Seine neue tschechische Nachbarin heißt ihn mit dem Satz willkommen: „Es gibt hier nur drei Sorten von Leuten: Kommunisten, Zigeuner und Prager, sonst nichts.“, womit sie auf die Ansiedlungspolitik der Kommunisten in den bis zur Vertreibung von Sudetendeutschen bewohnten Landesteile anspielt. Es sind die „Geschichten in der Geschichte“, die den Beitrag von Kilian Kirchgessner so lesenswert machen. So erfährt man von der aus dem neun Kilometer entfernten Kittlitz / Kytlice vertriebenen Erika, die nach der samtenen Revolution hochbetagt aus Waldkraiburg immer wieder in ihren Heimatort fährt und dort mit dem heutigen Besitzer ihres Elternhauses, dem jungen Unternehmer Petr eine tiefe Freundschaft begründet. Wir erfahren von ihrer Vertreibung im Alter von 17 Jahren und dass Petr die Grabstätte ihrer Familie auf dem Friedhof von Kittlitz gekauft hat, „damit sie nicht verfällt und eines fernen Tages, wer weiß, er selbst einmal dort begraben werden kann.“ Beide, Erika und Petra sagen zu dem Anwesen „Mein Haus … und beide wussten, wie es gemeint war.“ Der Autor berichtet von seinen Begegnung mit dem angesehenen tschechischen Schriftsteller und Verleger Jiri Padevet, der sich eingehend mit dem NS-Besatzungsregime nach 1938, der Vertreibung und dem stalinistischen Naschkriegsregime in der Tschechoslowakei bis 1956 beschäftigt und darüber zwei Bücher geschrieben hat. Während es für sein Buch über den NS-Terror allgemeinen Beifall gab, wurde er wegen seines Buches über die Vertreibung der Sudetendeutschen stark angefeindet, weil er dort schonungslos über die Folter, Vergewaltigung und Ermordung von Sudetendeutschen berichtet und zu dem Schluss kommt: „Wer beide Bücher liest, sieht, dass Gewalt keine nationalen Merkmale hat. Es gibt nur eine Gewalt, egal, ob Deutsche sie begehen oder Tschechen.“ Kilian Kirchgessner misst Jiri Padevet eine Schlüsselrolle für die Enttabuisierung der Ausseinandersetzung in der Tschechischen Republik mit der Vertreibung der Sudetendeutschen zu. Seine Bücher wurden „zum Teil einer grossen Bewegung, in der junge Tschechen anfangen, sich um verfallene deutsche Gräber auf alten Friedhöfen zu kümmern; die Stadt Brünn veranstaltet einen jährlichen Gedenkmarsch in Erinnerung an die vertriebenen Sudetendeutschen. Jiri Padevet bekam für seine Bücher den Magnesia-Litera-Preis, die angesehenste Literatur Auszeichnung in Tschechien. Auch dank ihm ist die Vertreibung kein Tabuthema mehr.“ Kilian Kirchgessner unternimmt in seiner Erzählung auch einen Blick über die Böhmisch Sächsische Schweiz hinaus und beschreibt die Tschechische Republik als Hochtechnologie-Land mit einem vorbildlichen Standard der Digitalisierung, das längst nicht mehr nur die verlängerte Werkbank deutscher und westeuropäischer Unternehmen ist. Inzwischen hat sich unser Autor in Kreibitz gut eingerichtet und genießt mit seiner Familie die Idylle in der Böhmischen Schweiz. Erika aus Kittlitz ist inzwischen verstorben, er konnte ihr aber noch von dem Erwerb seines Feriendomizils in Kreibitz berichten. Sogleich verwies sieh ihn an eine sudetendeutsche Bekannte aus Kreibitz weiter, die „ihm bestimmt etwas von früher erzählen könne.“ Ihr Vermächtnis aber lebt weiter in Kreibitz, auch in und durch ihren tschechischen Freund Petr, der ihr Sohn sein könnte. Er weiß, wer bis 1945 in seinem Haus gelebt hat und will, ja wird auch das geistige Erbe der sudetendeutschen Vorbesitzer lebendig erhalten. Am Schluss der Erzählung berichtet Kilian Kirchgessner von einer Begegnung mit seiner tschechischen Nachbarin in Kreibitz. „Manchmal knacke es im alten Gebälk ihres Hauses und sie denke dann: Da oben auf dem Dachboden geht er jetzt um und spukt, der Deutsche, der hier einmal gewohnt hat. Dann lacht sie auf und winkt mit der Hand die Spukgespenster beiseite: Deutsche gebe es hier schließlich schon lange nicht mehr“, worauf Kilian Kirchgessner entgegnet: „Aber jetzt bin ich da.“ Die Jury für die Verleihung des Johnny Klein - Preises 2023 hat Kilian Kirchgessner für seine Erzählung „Freundliche Übernahme“ den 1. Preis zuerkannt. Sie würdigt damit auch seine kontinuierliche journalistische Befassung mit der Brückenfunktion der Sudetendeutschen in den deutsch-tschechischen Beziehungen. Als Stiftung Verbundenheit danken wir dem Preisträger auch dafür, dass er bei der von uns initiierten Lesung und Diskussion des Buches „Schuld und Leid“ von Thomas Kreutzmann und Werner Sonne in der Deutschen Botschaft in Prag die Diskussionsleitung übernommen hat. 

2. Preis: Sven Müller

‚‚Historische Friedhöfe in Weseritz, Plan und Umgebung‘‘

  • Laudatio von Bernd Posselt - Sudetendeutsche Stiftung

    Laudatio für Sven Müller - Autor von "Historische Friedhöfe in Weseritz, Plan und Umgebung"

    Sehr geehrte Damen und Herren,
    es ist mir eine außerordentliche Ehre und Freude, heute vor Ihnen zu stehen, um das Werk eines Mannes zu würdigen, dessen Beitrag nicht nur künstlerisch beeindruckt, sondern auch tief in die Geschichte unserer sudetendeutschen Gemeinschaft eintaucht. Sven Müllers "Historische Friedhöfe in Weseritz, Plan und Umgebung" ist nicht nur ein Fotoprojekt, es ist ein Werk, das uns einlädt, in die Vergangenheit zu blicken und die Geschichten unserer Vorfahren zu hören.

    Als Laudator und Sprecher der Sudetendeutschen Volksgruppe weiß ich um die Bedeutung dieses Werkes für uns alle. Sven Müllers fotografische Reise zu den historischen Friedhöfen ist mehr als nur der Versuch, Friedhöfe in Westböhmen systematisch zu dokumentieren; sie ist eine tiefgehende Reise in die Zeit unserer Vorfahren. Jedes Foto, jeder Grabstein, erzählt eine Geschichte von Menschen, die diese Landschaften geprägt und uns so hinterlassen haben, wie wir sie heute vorfinden.

    Ebenso betont das Werk die Vielfalt, die unsere Heimat einst ausmachte. So finden sich neben Gräbern der Deutschen auch Bilder von Friedhöfen deutschsprachiger Juden, deren Gräber das gleiche Schicksal wie jene unserer Vorfahren teilen. Die Begleittexte sind mit einer tschechischen Übersetzung versehen, um auch den heutigen Bewohnern den Blick in die Vergangenheit ihrer Heimat zu ermöglichen.

    Die Region um Weseritz und Plan, nach 1945 von tiefgreifenden Veränderungen geprägt, ist durch Sven Müllers Linse auferstanden. Seine Bilder sind nicht nur Dokumente vergangener Tage; sie sind Fenster in die Zeit unserer Vorfahren. Durch seine einfühlsamen Aufnahmen und Begleittexte werden die Gräber unserer Vorfahren nicht nur sichtbar, sondern erinnern uns daran, dass ihre Geschichten weiterleben.

    Was dieses Buch zu etwas Besonderem macht, ist nicht nur die visuelle Ästhetik der Fotografien, sondern auch die kulturelle Tiefe, die es vermittelt. Sven Müller hat es geschafft, nicht nur Steine und Gräber zu zeigen, sondern die Menschen dahinter. In jedem Bild schwingt ein persönliches Schicksal mit.

    Als Sprecher der Sudetendeutschen Volksgruppe ist es mir eine Herzensangelegenheit, Sven Müllers Werk mit dem 2. Preis des diesjährigen „Johnny“-Klein-Preises zu würdigen. Seine Fotografien sind nicht nur eine Reminiszenz an die Vergangenheit; sie sind ein Aufruf an uns alle, die Erinnerungen unserer Vorfahren zu bewahren und weiterzutragen. Dieses Buch ist ein Vermächtnis, das uns mahnt, unsere Wurzeln zu ehren.

    Ich danke Sven Müller für seine Hingabe, für die Mühe, die er neben seiner hauptberuflichen Tätigkeit in dieses Werk gesteckt hat. Möge sein Schaffen Inspiration für uns alle sein, einen Beitrag zur Erhaltung unserer Kulturgüter zu leisten und die Erinnerung gemeinsam wachzuhalten. Dieses Buch ist eine Hommage an die Vielfalt der böhmischen, mährischen und schlesischen Landschaften, eine Feier ihrer Identität und ein Appell an uns alle, die Flamme der Erinnerung am Brennen zu halten.

Nachwuchspreis: Natalie Meyer

‚‚Austausch über die Grenzen hinweg? Tschechen und Deutsche zwischen Annäherung und Entfremdung‘‘


‚‚Johnny‘‘-Klein-Preis 2021

1. Preis: Jonas Lüth

‚‚Tschechien und seine Deutschen – was ist geblieben?‘‘

  • Laudatio von Hartmut Koschyk - Stiftung Verbundenheit

    Für den Radiobeitrag „Tschechien und seine Deutschen - was ist geblieben?“ wird dem Nachwuchs-Wissenschaftler und jungen Publizisten Jonas Lüth der 1. Preis des diesjährigen Johnny Klein - Preises für deutsch-tschechische Verständigung verliehen. Jonas Lüth wurde 1992 in Hamburg geboren und ist in einer deutsch-tschechischen Familie in Hamburg und Berlin aufgewachsen. Schon früh galt seine Faszination der deutschen Sprache sowie der sprachlichen und kulturellen Vielfalt Europas und der Welt. Nach dem Abitur am Droste-Hülshoff-Gymnasium in Berlin führten ihn Studienaufenthalte an die Universitäten Bayreuth, Neapel, Leipzig und Halle. Er verfügt über einen Bachelor-Abschluß über Geographische Entwicklungsforschung der Universität Bayreuth und hat ein Jahr Arabistik und Islamwissenschaften an der Universität Leipzig studiert. In diesem Jahr hat er ein Master-Studium im Bereich Global Change Geography an der Universität Halle aufgenommen. Deutsch und Tschechisch bezeichnet Jonas Lüth als seine Muttersprachen, daneben spricht er Französisch, Englisch, Italienisch und Hocharabisch. Studienexkursionen und Erwerbsaufenthalte führten ihn nach Afrika, Indien und Australien. In zahlreichen gemeinnützigen Organisationen hat er sich studienbegleitend engagiert. 2020/21 leistet er ein sechswöchiges Praktikum in der Redaktion „Aktuelle Kultur und Politik“ des Deutschlandsfunks ab und wird von da an dessen freier Hörfunkautor sowie für BR 24, der den heute ausgezeichneten Beitrag ebenfalls in Auszügen gesendet hat. Jonas Lüth liegen die sich ständig im Wandel befindlichen Sprachen und Kulturen der Welt am Herzen. Er bezeichnet es als sein großes Ziel, den wissenschaftlich-fragenden Blick, den er im Studium und in Forschungsprojekten gelernt hat, in den Journalismus zu tragen. Wörtlich äußert er hierzu: „Zu oft sind wir voreingenommen und konstruieren eine andere Seite. Gerade zur jetzigen Zeit ist es aber wichtig zu versuchen, Gemeinsamkeiten zu finden und dem konstruierten Anderen ein offenes Ohr zu schenken… Leider ist dies in der zuweilen grausamen deutsch-tschechischen Geschichte zu kurz gekommen und so müssen wir den vom Nationalismus hinterlassenen Scherbenhaufen bis heute aufkehren und mühselig das gemeinsame Puzzle wieder zusammensetzen.“ Mit seinem einstündigen Rundfunkbeitrag „Tschechien und seine Deutschen - was ist geblieben?“, den der Deutschlandfunk am 20. Dezember 2020 in der Sendung „Stunde 1 Labor“ ausstrahlte, gelingt es Jonas Lüth dieses Puzzle deutsch-tschechischer Gemeinsamkeiten meisterhaft zusammenzusetzen. Er nimmt die Zuhörerinnen und Zuhörer mit auf eine „Zeitreise“ in seine Kindheit in den Ort Václavov, früher Wenzelsdorf im nordmährischen Altvatergebirge, in dem seine Großeltern seit langem ein Wochenendhaus besitzen. In diesem „Sehnsuchtsort“ verbringt er mit seiner in den 80er Jahren aus der damaligen Tschechoslowakei nach Westdeutschland ausgewanderten Mutter von Hamburg und später Berlin aus gemeinsam mit seinen in Tschechien lebenden Großeltern immer die Ferien. Dabei erlebt er auch die Restaurierung des Friedhofes und stößt auf Grabsteine deutscher Familien wie Bauer, Weigl, Pusch. „Namen, die ganz und gar nicht tschechisch klangen“, so Jonas Lüth. Václavov/Wenzelsdorf liegt übrigens nur wenige Kilometer von Sumperk/ Mährisch-Schönberg entfernt, dem Geburtsort von Johnny Klein. In Václavov/Wenzelsdorf entdeckt Jonas Lüth die deutsch-tschechische Symbiose Böhmens, Mährens und Sudetenschlesiens, wird mit den Schrecken der deutsch-tschechischen Geschichte konfrontiert und geht von nun an den Dingen auf den Grund. Für den heute ausgezeichneten Hörfunk-Beitrag entschließt er sich zu einer journalistischen Recherche-Reise quer durch die Tschechische Republik, wobei er sich an der Zugreise seiner Kinder- und Jugendzeit orientiert: Von Berlin nach Dresden durch das Elbtal nach Aussig/Ústi nad Labem. Hier stellt der Autor die gerade im Museum Aussig eröffnete und viel beachtete Ausstellung „Unsere Deutschen“ vor und läßt deren Kurator, Historiker und Direktor des Collegium Bohemicum Petr Koura mit seinen Intentionen ausführlich zu Wort kommen, der durch diese Ausstellung die über das letze Jahrhundert entstandenen Stereotype auf beiden Seiten abbauen möchte Im Museum begegnet Jonas Lüth auch dem Dokumentarfilmer David Vondrácek, der sich seit 20 Jahren mit dem Thema Vertreibung beschäftigt. In Aussig besucht er aber auch die „Edward-Benes-Brücke“ über die Elbe, an der jetzt eine Tafel an das Massaker von Aussig erinnert, bei dem im Juli 1945 deutsche Männer, Frauen und Kinder ermordet und in die Elbe geworfen wurden. Diese Tafel, so Jonas Lüth, sei im Sinne von Petr Koura und David Vondrácek nicht nur für die deutschen Besucher gedacht, nein die heutige Bevölkerung soll sie als „ihre Tafel verstehen“. In Prag trifft Jonas Lüth im Kaffeehaus Slavia erneut mit dem Dokumentarfilmer David Vondrácek zusammen, der ihm von seiner Heimatregion im Bäderdreieck Marienbad - Franzensbad - Karlsbad erzählt, die ihn im Hinblick auf seine filmische Spurensuche sehr geprägt hat. Es waren die deutschen Friedhöfe, deren Grabsteine zum Hausbau verwendet wurden, verfallene Häuser und verschwundene Dörfer, die David Vondrácek zu seinen Filmen über das Schicksal der Deutschen in Böhmen, Mähren und Sudetenschlesien inspiriert haben, u.a. zu dem Film „Töten auf Tschechisch“, der 2010 erschien und ein erstaunlich positives Echo hatte. Der Dokumentarfilmer veranlasst Jonas Lüth, auch tiefer über seine eigenen deutschen Familienbezüge nachzudenken, die durch die beiden deutschen Großmütter gegeben sind. Der Autor stellt seiner Zuhörerschaft auch den Film „Landschaft im Schatten“ des Regisseurs Bohdan Sláma vor, der die Geschichte des südböhmischen Dorfes Tust erzählt. Er beschreibt, die Reaktion des jungen tschechischen Publikums nach der Aufführung dieses Films in einem Prager Kino, die durch diesen Film auch mit dem Nachkriegsschicksal der deutschen Bevölkerung konfrontiert wird. In seinem Hörfunkbeitrag stellt Jonas Lüth noch weiter Persönlichkeiten der jüngeren tschechischen Generation vor, die durch ihr Wirken zu einer Enttabuisierung des Vertreibungsgeschehens beigetragen haben. So die Schriftstellerin Katerina Tucková, die in ihrem Roman „Gerta.Ein deutsches Mädchen“ die Geschichte einer Jugendlichen mit einem deutschen Vater und einer tschechischen Mutter im Brünn der 1930-er und 40-er Jahre erzählt. Die Schriftstellerin gehört zu den Mitbegründerinnen des „Versöhnungsmarsches von Brünn“ Mitte der 2000er Jahre, durch den an den sogenannten „Brünner Todesmarsch“ der deutschen Bevölkerung vom Mai 1945 erinnert wird. Auch den inzwischen weithin bekannten Organisator dieser eindrucksvollen alljährlichen Gedenkveranstaltung, Jaroslav Ostrcilik lässt Jonas Lüth ausführlich zu Wort kommen. „Wir versöhnen uns miteinander, aber auch uns selbst damit, was damals passiert ist. Das, finde ich, bringt die Gesellschaft viel weiter Richtung Europäertum“, so Jaroslav Ostrcilik. Er stellt sich auch entschieden gegen den Vorwurf des Geschichtsrevisionismus, der ihm für seine Versöhnungsarbeit oft begegnet: „Wir tun ja die Verbrechen der Nazis nicht und die Besatzungszeit auf keine Art und Weise irgendwie vermindern oder relativieren oder sonst was. Ambition ist, beides zu reflektieren: Die Verbrechen der Nazizeit und das was gefolgt ist. Natürlich mit der Ambition, dass sich so etwas nie wieder wiederholt“, so Jaroslav Ostrcilik. Den Abschluss der Reise von Jonas Lüth bildet Olmütz/Olomouc, die Heimatstadt seiner Mutter, wo er Michal Urban von der Studenten-Initiative „Antikomplex“ trifft, die einen entscheidenden Beitrag zur Aufarbeitung der Vertreibung der Deutschen in Tschechien geleistet hat. Das bekannteste Projekt von „Antikomplex“ ist die Ausstellung „Das verschwundene Sudetenland“, die auch vielfach in Deutschland gezeigt worden ist. Es ist Michal Urban, der die Idee äußert, sudetendeutsche Heimatstuben in Deutschland, die von einer Auflösung bedroht sind, in die Ursprungsorte nach Tschechien zu verlagern, um dadurch den jetzigen Bewohnern die früheren deutschen Bewohner nahe zu bringen. Über Michal Urban lernt Jonas Lüth den jungen Historiker Martin Hájek kennen, der ihm in Olmütz die „deutschen Spuren“ der Heimatstadt seiner Mutter zeigt. Dabei kommt es auch zu einem Besuch im Kulturzentrum der deutschen Minderheit. Über die Zerstörung der ethnischen und kulturellen Vielfalt der Stadt Olmütz von 1938 bis 1945 hat der Liedermacher Jaromir Nohavica bereits 1996 ein Stück geschrieben, das eindrucksvoll die Zeit des friedlichen Zusammenlebens verschiedener Ethnien und Kulturen dort beschreibt. Am Schluss seiner „Zeitreise“ führt uns Jonas Lüth wieder in „sein Dörflein“ Václavov/Wenzelsdorf zurück und beschreibt den Exodus der deutschen Bevölkerung 1945. Nur eine deutsch-tschechische Familie durfte damals bleiben. Die neu angesiedelte Bevölkerung kam teilweise aus den ukrainischen Karpaten und überwiegend aus der mährischen Walachei. Ein Bewohnerin, deren slowakischer Herkunftsort von der deutschen Wehrmacht auf deren Rückzug niedergebrannt wurde, hegt heute keinen Groll mehr gegenüber den Deutschen und äußert: „Ich kann niemanden verurteilen. So ist der Krieg. Wenn ich mir Filme anschaue, dann denke ich mir, dass das Schlechte auf beiden Seiten war. Das muss schlimm gewesen sein für die Deutschen. Das ganze Leben haben sie sich etwas aufgebaut und dann durften sie nur 24 Kilo auf den Rücken schnallen und los. Wissen Sie, was das für die bedeutet haben muss?!“ Eine andere Bewohnerin beschreibt die Gründe, warum Sie die Initiative zur Restaurierung des Friedhofes ergriffen hat: „Ich habe auch den Friedhof wiederhergestellt. Die Mutter von meinem Nachbarn Radek ist da begraben. Also sag ich zu ihm: Komm Radetschek. Wir bringen das in Ordnung! Alle wurden sie vergessen. Auch die ganzen Deutschen. Die Armen! Das sind doch keine Tiere.“ Jonas Lüth ist zu danken, dass er in dem heute ausgezeichneten Rundfunkbeitrag ein eindrucksvolles Gemälde der tiefgehenden Auseinandersetzung mit dem Schicksal der deutschen Bevölkerung in Böhmen, Mähren und Sudetenschlesien in der heutigen Tschechischen Republik gezeichnet hat. Besonders authentisch an diesem Bild ist die Verwobenheit des Autors und seiner Familie mit diesem Werk. Er ist nicht nur der gestaltende Künstler des Bildes, sondern er porträtiert sich und seine Familie auch ein stückweit selbst. Und so kann man dem Fazit von Jonas Lüth nur zustimmen: „Wie ich meine, und auch in meinem Beitrag schon erwähnt habe, sind wir im Verhältnis von Deutschen und Tschechen auf einem guten Weg, Verschiedenheit zu akzeptieren und eine gemeinsame Zukunft zu bauen.“ Jonas Lüth hat sich mit dem Rundfunkbeitrag „Tschechien und seine Deutschen - was ist geblieben“ um die deutsch-tschechische Verständigung verdient gemacht und erhält dafür heute den 1. Preis des Johnny Klein - Preises für deutsch-tschechische Verständigung. Ich bin sicher: Johnny Klein hat als Journalist und engagierter sudetendeutscher Wegbereiter der deutsch-tschechischen Verständigung seine wahre Freude an der Persönlichkeit des Preisträgers und seinem publizistischen Schaffen. Herzlichen Glückwunsch lieber Jonas Lüth!

    (Laudatio für Jonas Lüth anlässlich der Verleihung des 1. Preises des Johnny Klein -Preises 2021 für deutsch-tschechische Verständigung von Hartmut Koschyk Vorsitzender des Stiftungsrates der Stiftung Verbundenheit mit den Deutschen im Ausland am 27. November 2021 im Rahmen einer digitale Veranstaltung auf dem YouToube-Kanal der Landesversammlung der deutschen Vereine in der Tschechischen Republik)

2. Preis: Christoph Schumacher

‚‚Eine Reise gegen das Vergessen‘‘

  • Laudatio von Christa Naaß – Sudetendeutscher Rat

    Sehr geehrter Herr Schumacher,
    sehr geehrte Damen und Herren,

    es ist mir eine Ehre, dass ich den 2. Preisträger Herrn Christoph Schumacher und seinen Film „Eine Reise gegen das Vergessen“ heute würdigen darf.

    Ihr Beitrag, sehr geehrter Herr Schumacher, hat in allen Rubriken der Bewertung überzeugt, weil er die Kenntnisse von Deutschen und Tschechen übereinander erweitert, auch die Brückenfunktion der deutschen Minderheit in Tschechen entsprechend berücksichtigt – z.B. durch einen Beitrag von Herrn Martin Dzingel, dem Präsident der Landesversammlung der deutschen Vereine in Tschechien -, der Beitrag fundiert und sorgfältig recherchiert ist und lebendig, innovativ und verständlich das Thema mit einer deutlichen Botschaft vermittelt wird.

    Aber bevor ich näher auf den Film eingehe, ein paar Worte zu Ihrer Person, Herr Schumacher:

    Heute 45jährig studierten Sie nach Ihrem Wehrdienst in Bonn. Als staatlich anerkannter Fachwirt im Gesundheits- und Sozialwesen stehen Sie dem Verein „Tüpfelhausen – Das Familienportal e.V.“ seit dessen Gründung im Jahr 2011 als dessen Vorstandsvorsitzender vor.

    Was ist das für ein Verein? Es ist ein deutschlandweit bekannter staatlich anerkannter gemeinnütziger freier Träger der Jugendhilfe. Neben der stationären Jugendarbeit im Heimatkiez des Leipziger Westens widmet sich der Träger insbesondere der internationalen Kinder- und Jugendarbeit, u. a. mit dem „Internationalen, Interkulturellen Fußballbegegnungsfest“ (IFBF), das u.a. mit dem Julius Hirsch-Preis des Deutschen Fußballbundes ausgezeichnet wurde.

    Begonnen hat es damit, dass Herr Schuhmacher sich zusammen mit einigen anderen dafür stark gemacht hat, dass man sich in der Stadt Leipzig wieder an den alten von den Nazis zerstörten jüdischen Fußballclub Bar Kochba Leipzig erinnert, einem Sportverein mit ehemals 1600 Mitgliedern, der 1939 enteignet wurde.

    Und aus dieser Initiative heraus entstanden auch im Bereich der tri- wie multilateralen Jugendbegegnungen Aktivitäten mit den Länderschwerpunkten Israel und der Tschechischen Republik.

     

    Von tschechischer Seite haben z.B. daran teilgenommen

    • der jüdische Sportclub Hakoach Prag
    • der DFC Prag
    • das Roma-Fußballprojekt Mongaguá in Aussig und Ostrau und
    • das Jugendzentrum Blansko.

     Das IFBF war im Jahr 2021 mit über 400 Teilnehmerinnen und Teilnehmern und über 6000 Besucherinnen und Besuchern die größte internationale Jugendbegegnung Ostdeutschlands.  Wir können uns alle vorstellen, welch organisatorisches Wunder es in jedem Jahr ist, das der Verein auf die Füße stellt, um diese Veranstaltung möglich zu machen.

    Durch den Film, auf den ich gleich eingehen werde, wird deutlich gemacht, dass diese verdienstvolle Arbeit mehr ist als nur die Organisation eines Fußballturnieres.

    Mit dem Dokumentarfilm „Eine Reise gegen das Vergessen“ wird an das 100. Jubiläum des jüdischen Leipziger Sportvereins „SK Bar Kochba“ erinnert.

    Im Jahr 2020 waren es genau 100 Jahre her, dass die beiden Leipziger Brüder Leopold und Max Bartfeld zusammen mit anderen jüdischen Sportlern einen Sportverein gründeten. Die beiden waren aktive Fußballer, Max Bartfeld außerdem ein erfolgreicher Leichtathlet und Zehnkämpfer. 1939 endete die Geschichte des Vereins: Er wurde zwangsaufgelöst, die meisten Vereinsmitglieder überlebten das NS-Regime nicht. Leo Bartfeld starb im Februar 1945 an den Folgen des Todesmarsches aus dem KZ Auschwitz.

    Durch die Zwangsauflösung des Vereins ging aber auch ein Teil Leipziger wie auch deutscher Sportkultur unwiederbringlich verloren.

    Doch vor wenigen Jahren kam Bewegung in die Erinnerung an SK Bar Kochba. Der Leipziger Verein Tüpfelhausen e.V. richtete Fußballbegegnungsfeste mit Fußballteams aus Deutschland, Tschechien, Polen und Israel aus.

    Fußball gegen das Vergessen – so kann man die Aktivität bezeichnen.

    Ausgehend vom Thema Fußball, das so leicht für Nationalismus und Gegeneinander instrumentalisiert werden kann und wurde, beleuchtet der Dokumentationsfilm „Eine Reise gegen das Vergessen“ ganz bewusst eine Reihe von überaus schmerzhaften historischen Momenten. Er erinnert u.a. an die ehemalige enge Verflechtung mit dem jüdischen Leben, auch im sportlichen Bereich, das auf brutalste Weise ausgelöscht wurde.

    Der Film hat zwei Schwerpunkte: Zum einen geht es um Aussöhnung für ein friedliches Europa und zum anderen um die Vergangenheit mit der Perspektive auf die Zukunft.

    Ausgehend von Schauplätzen in Deutschland über Tschechien (Prag, Aussig und Ostrau) über Kanada, die USA bis nach Israel und wieder zurück kommen zum einen Holocaust-Überlebende zu Wort, aber auch Menschen, die sich durch sportliche Aktivitäten und zivile Projekte für Versöhnung, für das gemeinsame Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft, Glaubens und Kultur, gegen Diskriminierung und gegen das Vergessen einsetzen – mahnend, dass es nie wieder zu einer Wiederholung des Grauens kommen darf.

    So gelingt es dem Film – ohne aktuelle Probleme wie den wieder aufflammenden Antisemitismus und zunehmenden Rassismus auszusparen – mit einem hoffnungsvollen Ausblick zu enden: Sport bringt Menschen zusammen, Fußball spricht eine universale Sprache, verbindet und spaltet nicht, Sport fördert das Zusammenleben und nicht das Trennende, fördert das gegenseitige Kennenlernen und Verstehen auch über Landesgrenzen hinweg - und das ist gerade für junge Menschen besonders wichtig.  

    Der Film, der am 02. Juli 2021 seine Premiere in Leipzig hatte, ist ein Gedenken, das die Menschen zusammenbringteine Reise gegen das Vergessen!

    Er erfüllt die Intention des Johnny-Klein-Preises, die Kenntnisse von Deutschen und Tschechen übereinander zu erweitern, das gegenseitige Verständnis in Europa zu fördern und dabei die Brückenfunktion der deutschen Minderheit in Tschechien zu würdigen.

    Und dafür bekommen Sie, sehr geehrter Herr Schumacher heute den Johnny-Klein-Preis verliehen. Ich gratuliere Ihnen dazu auch im Namen der gesamten Jury!

    (Laudatio für Christoph Schumacher (Tüpfelhausen e.V.) anlässlich der Verleihung des 2. Preises des Johnny Klein-Preises 2021 für deutsch-tschechische Verständigung von Christa Naaß, Generalsekretärin des Sudetendeutschen Rates und Präsidentin der Bundesversammlung der Sudetendeutschen Landsmannschaft, am 27. November 2021 im Rahmen einer digitalen Veranstaltung auf dem YouTube-Kanal der Landesversammlung der Deutschen Vereine in der Tschechischen Republik)

Förderpreis: Oliver Hach

‚‚Heimkehr nach Kupfenberg‘‘

  • Laudatio von Martin H. Dzingel – Landesversammlung

    ‚‚O Arzgebirg, wie bist du schie,
    Mit deine Wälder, ihr Wiesen, Barg on Tol,
    In Winter weiß, in Sommer grü.
    O Arzgebirg, wie bist du schie!‘‘

    Dieser Text von Anton Günther ist mir sofort eingefallen, als ich als Jurymitglied den eingereichten Beitrag von Herrn Oliver Hach mit dem Titel ‚‚Heimkehr nach Kupfenberg‘‘ gelesen haben. Natürlich habe ich zu dem Zeitpunkt nicht gewusst, dass dieser den 3. Platz bei der diesjährigen „Johnny“ Klein-Preisverleihung einnimmt. Zum Erzgebirge habe ich nämlich eine persönliche Verbindung, weil mich die Gegend, die Orte und auch die Menschen, an meine Heimat, das Altvatergebirge so sehr erinnern.

    Als Vertreter der Landesversammlung der deutschen Vereine in der Tschechischen Republik, die diese Preisverleihung mit ausführt,

    habe ich auch deswegen eine besondere Ehre, die Laudatio auf Herrn Oliver Hach zu halten.

    Oliver Hach wurde am 28. September 1972 in Freiberg/Sachsen geboren. Schon während dem Studium der Slavistik, Politikwissenschaft und Kommunikationswissenschaft in Dresden, Münster und Zagreb, sammelte er die ersten journalistischen Erfahrungen als freier Autor. 1999/2000 verübte er das Volontariat bei der Chemnitzer Tageszeitung "Freie Presse". Seither war er bei der "Freien Presse" in verschiedensten redaktionellen Positionen tätig, derzeit als stellvertretender Leiter im Ressort Recherche in Chemnitz. Beruflich, aber auch privat ist er sehr oft im sächsisch-böhmischen Grenzgebiet unterwegs und widmet sich dieser Region und ihrer spannenden Geschichte. Dabei spielt immer wieder die deutsche Vergangenheit von heute tschechischen Ortschaften eine Rolle. 2019 gewann Herr Hach den Deutsch-tschechischen Journalistenpreis für eine Artikelserie zu 50 Jahren Prager Frühling. Oliver Hach lebt gemeinsam mit seiner tschechischen Lebensgefährtin in Mulda bei Freiberg.

    Ihr Beitrag, Herr Hach, zeigt die Geschichte und Lebensschicksale durch eine Leitperson, eines gebürtigen Kupferbergers, Edmunt Wohlrab. Tagtäglich komme ich in Kontakt mit vor allem jüngeren Menschen, denen nur schwer zugegen ist, dass die Deutschen in Böhmen, Mähren und Schlesien schon über Jahrhunterte leben, und Ihre Heimat wirtschaftlich und kulturell zur Blüte gebracht haben. Aus Ihrem Beitrag kann sehr gut die kontinuierliche Geschichte des ehemals deutschen Ortes und des heutigen überwiegend tschechischen Ortes Měděnec abgeleitet werden.  Ihr Beitrag stellt nicht nur die Geschichte eines Ortes und die Schicksale von Menschen dar, die beispielhaft für das ganze deutsche Siedlungsgebiet sind, sondern trägt auch zum gegenseitigen Verständnis und der Versöhnung bei. Das belegt unter anderem folgende Aussage in Ihrem Artikel: „Der Krieg war an allem Schuld“, sagt ein tschechischer Bewohner des heutigen Kupferbergs. Wie gut wäre es, gewesen, führt er weiter fort, wenn Leute wie Edmunt Wohlrab hätten bleiben können“.

     

    Im Sinne der objektiven Berichterstattung über das was war, was ist und was sein kann, im Sinne der Verständigung und der journalistischen Versöhnungsarbeit gratuliere ich Ihnen, Herr Oliver Hach, zum heutigen journalistischen „Johnny“ Klein Preis!

    (Laudatio für Oliver Hach anlässlich der Verleihung des 3. Preises des Johnny Klein-Preises 2021 für deutsch-tschechische Verständigung von Martin Herbert Dzingel, Präsident der Landesversammlung der Deutschen Vereine in der Tschechischen Republik, am 27. November 2021 im Rahmen einer digitalen Veranstaltung auf dem YouTube-Kanal der Landesversammlung der Deutschen Vereine in der Tschechischen Republik)


‚‚Johnny‘‘-Klein-Preis 2018

1. Preis: Jürgen Osterhage

‚‚Heimat mit Hindernissen – Die deutsche Minderheit in Tschechien‘‘

  • Laudatio von Dr. Raimund Paleczek – Sudetendeutsche Stiftung

    Als Vertreter der Sudetendeutschen Stiftung, die sich bei der Ausstattung der Preise beteiligt, habe ich die besondere Ehre, die Laudatio auf Herrn Jürgen Osterhage zu halten. Die Sudetendeutsche Stiftung unterstützt seit fast fünfzig Jahren finanziell die kulturelle Breitenarbeit der Sudetendeutschen. Seit 1989 sind unzählige sudetendeutsch-tschechische grenzüberschreitende Projekte hinzugekommen, aus denen auf kommunaler Ebene häufig Partnerschaften zwischen sudetendeutschen und tschechischen Bürgern - also den ehemaligen und den heutigen Bewohnern einer Gemeinde - gewachsen sind.

    Herr Osterhage, geboren im Jahr 1955 in Detmold, ist seit 2015 als ARD-Korrespondent für Tschechien und die Slowakei tätig. Nach vier Jahren als Studioleiter in Prag wird er Endes diesen Jahres ein neues Kapitel als Freiberufler in der Medienbranche einschlagen. Es freut uns daher umso mehr, Sie, Herr Osterhage, heute mit dem Johnny Klein Preis auszeichnen zu dürfen, da Sie sich unermüdlich für die deutsch-tschechische Verständigung eingesetzt haben. Ihr Beitrag "Heimat mit Hindernissen - Die deutsche Minderheit in Tschechien", der immer noch in der ARD Mediathek abgerufen werden kann, verdeutlicht nicht zuletzt Ihr großes Interesse für die Belange der deutschen Minderheit in der Tschechischen Republik. Dabei berücksichtigen Sie auch immer den Aspekt der "Versöhnung", denn wie einer der von Ihnen interviewten Protagonisten zu Wort gibt: "Uns geht es ja um Versöhnung, dass wir alle hier gemeinsam leben können"

    Ihr Beitrag, Herr Osterhage, handelt von Menschen, die tschechische Pässe besitzen, die tschechische Sprache sprechen, in Tschechien ihre Wurzeln und ihre Heimat haben, aber die sich dennoch nicht oder nicht nur als Tschechen verstehen.

    Bei der letzten Volkszählung bekannten sich rund 20.000 tschechische Staatsbürger zur deutschen Minderheit. Das ist nur noch ein Bruchteil der rund drei Millionen Deutschen, die vor dem II. Weltkrieg auf dem heutigen Staatsgebiet der Tschechischen Republik gelebt haben. Ihre Reise, Herr Osterhage, einmal rund um die Tschechische Republik, vom Böhmerwald über das Egerland, das Adler- und das Riesengebirge, zum Hultschiner Ländchen und weiter nach Südmähren bis Brünn, blickt auf die in Tschechien verbliebenen Deutschen. Es wird hinterfragt wie zum einen Tschechen heute auf "ihre Deutschen" schauen, und wie zum anderen die deutsche Minderheit in den historischen Ländern der böhmischen Krone mit ihrem Erbe umgeht. Wie lebt sie, was verbindet sie?

    Ohne die politische Wende 1989/90 wäre die deutsche Minderheit in der Tschechischen Republik vielleicht in Vergessenheit geraten und ihr Erbe dem Untergang geweiht gewesen. Seit der Wende können Minderheit und Mehrheit jedoch frei aufeinander zugehen. Alte Ängste, Assimilierungszwänge verblassen. Die nachwachsenden tschechischen Generationen entdecken zunehmend die Geschichte der Deutschen in ihrer Region als Geschichte der eigenen Heimat, ja mehr noch: als Teil ihrer eigenen Geschichte und Identität. Ihr Beitrag, Herr Osterhage, verdeutlicht wunderbar diese Entwicklung.

    Auch persönlich verbindet Herrn Osterhage sehr viel mit diesem Land, da sein Bruder Wolf-Dietrich hier einen Teil seiner Kindheit verbracht hat und seine zwei Schwestern Bärbel und Heide in der böhmischen Metropole Prag geboren sind. Eine besondere Beziehung zu Böhmen wurde Herrn Osterhage auch durch die Erzählungen seiner Eltern, die einst aus der Tschechoslowakei flüchteten, näher gebracht. Sein Vater August, geboren im Jahr 1904 in Westfalen, wurde als junger Familienvater als Bauingenieur und Mitarbeiter des Arbeitsdienstes 1938 zunächst ins schlesische Jägerndorf und 1939 nach Prag versetzt. Seine Mutter ist Ende 1944 mit ihren damals drei Kindern und zwei Koffern zurück nach Westfalen geflüchtet. Der Vater folgte 1945 zu Fuß. Zehn Jahre später wurde Jürgen Osterhage als - wie er sagt - "es uns wieder besser ging" geboren. Während seiner gesamten Jugendzeit sind ihm nach eigenen Worten "die vielen Erzählungen [s]einer Eltern über ihre schöne Zeit in Prag in den Ohren geklungen". Herr Osterhage fühlte sich wie einst seine Eltern immer außerordentlich wohl in Prag und Tschechien. Er sagt: "Prag und Tschechien sind mir sehr an Herz gewachsen. Ein wunderbares Land. Und wie in meinem Film dargestellt: Es geht um VERSÖHNUNG". Versöhnung ist das große Wort, was sein ARD Beitrag, in dem zahlreiche Zeitzeugen zu Wort kommen, illustriert.

    Nun zum Ende seiner fest angestellten Berufskarriere in Tschechien erhält Herr Osterhage den Johnny Klein Preis. Die Auszeichnung mit dem Johnny Klein Preis ist auch eine Würdigung seiner 40-jährigen Berufskarriere. Als "Botschafter" der deutsch-tschechischen Beziehungen und Freundschaft wird er uns jedoch erhalten bleiben.

    Herr Osterhage, die Jury gratulierten Ihnen herzlich zum Johnny-Klein-Preis 2018!

1. Preis: Kilian Kirchgeßner

‚‚Das Vermächtnis‘‘

  • Laudatio von Hartmut Koschyk – Stiftung Verbundenheit

    Es ist mir eine große Freude, Ihnen einen der beiden ersten Preisträger des Johnny-Klein-Preises vorzustellen. Wie der Namensgeber dieser Auszeichnung ist auch Kilian Kirchgeßner passionierter Journalist, der sein Leben dem Aufzeigen jener Aspekte unserer Welt gewidmet hat, die der breiten Bevölkerung andernfalls verborgen blieben.

    Kilian Kirchgeßner studierte an der Ludwig-Maximilians-Universität in München, der Karls-Universität in Prag und absolvierte eine Ausbildung an der Deutschen Journalistenschule in München.

    Seit dem Jahr 2005 berichtet er aus Tschechien und der Slowakei für zahlreiche ARD-Hörfunkprogramme, darunter dem Deutschlandfunk, dem WDR sowie für Deutschlandradio Kultur. Er schreibt für den Tagesspiegel, brand eins, Geo Saison und viele weitere Printmedien.

    Für seine Arbeit wurde er mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Axel-Springer-Preis, dem Young Journalist Award der Europäischen Union und dem Deutsch-Tschechischen Journalistenpreis (2016 und 2017). Kilian Kirchgeßner ist zudem Vorstandsmitglied des globalen Korrespondenten-Netzwerks Weltreporter.

    Für seine Reportagen löst er Rätsel, wie er auf seiner Internetseite schreibt, wie beispielsweise „warum die Tschechen auf Atomkraft setzen, wieso die Regierung eine Theater-Truppe durch slowakische Roma-Ghettos schickt und weshalb bayerische Handwerker ihre Produkte inzwischen so gern an tschechische Kunden verkaufen“. Er feierte nach eigenen Angaben „mit den letzten böhmischen Mönchen des Ordens der Prämonstratenser von der Abtei Tepl/Teplá vor Sonnenaufgang die Morgenmesse, kehrte mit dem hussitischen Kardinal Lafek auf eine Schweinshaxe und Pilsner Bier in eine Prager Kneipe ein, diskutierte mit Karel Gott über Rock’n’Roll-Hits und ließ sich auf einer Recherchereise im Nachtzug vom ersten Sonnenstrahl über der slowakischen Tatra wecken“.

    Im vergangenen Jahr besuchte Kilian Kirchgeßner für eine Reportage im Deutschlandfunk zum Thema „Charta 77“ erstmals Mährisch Schönberg / Šumperk. Kilian Kirchgeßner sagt hierzu: „Ich interviewte eine Frau, die in sehr jungem Alter die ‚Charta 77‘ unterzeichnet hatte - und auch nicht widerrief, als ihr die Staatssicherheit damit drohte, ihr die Tochter wegzunehmen. Eine beeindruckende Begegnung, die für mich immer mit dem Ort Mährisch Schönberg / Šumperk verbunden bleiben wird.“

    Kilian  Kirchgeßner beschäftigt sich nach seinen eigenen Worten am liebsten mit Themen, die jenseits der Tagesaktualität liegen: „Themen, in die man bei einer längeren Recherche richtiggehend eintauchen kann und die dem deutschen Leser oder Hörer Hintergründe vermittelt, die er bei bloßen Nachrichten über die Tagespolitik nicht bekommt,“ so die Worte von Kilian Kirchgeßner.

    Seine heute auszuzeichnende Reportage „Das Vermächtnis“ ist ein eindrucksvolles Beispiel dafür. Er sagt darüber: „Ich war mit vielen Protagonisten lang unterwegs, bin im Auto mit ihnen in die manchmal entlegenen Ecken des Landes gefahren und hatte dabei Zeit für lange Gespräche – und leider ist das ja etwas, wofür im schnellen Nachrichtengeschäft oft keine Zeit bleibt. Aber gerade dadurch wird es möglich, atmosphärisch dichte Reportagen zu schreiben, die den Leser/Hörer tatsächlich mitnehmen an den Ort des Geschehens!“

    Kilian Kirchgeßners Radiobeitrag „Das Vermächtnis“ wurde im Deutschlandfunk in der Sendung „Gesichter Europas“ ausgestrahlt. Nach einstimmiger Meinung der Jury wird ihm für diesen Beitrag gemeinsam mit dem Fernsehbeitrag „Heimat mit Hindernissen - Die deutsche Minderheit in Tschechien“ von Jürgen Osterhage der gleichberechtigte erste Preis des diesjährigen Johnny-Klein-Preises zuerkannt. „Das Vermächtnis“ handelt nicht von hoher Politik, nicht von Ereignissen weltweiter Bedeutung und auch nicht von den Spannungen zwischen großen Nationen. Ganz im Gegenteil beschränkt sich der Blick der Reportage-Sendung auf „ungewöhnlichen Freundschaften“ zwischen deutschen Heimatvertriebenen und deren Nachkommen und Tschechen.

    Lange waren die Heimatvertriebenen Opfer von Klischees: In Tschechien galten die Sudetendeutschen als gefährliche Revanchisten, die nur Grund und Boden wieder zurückhaben wollen. In Deutschland sahen viele sie als ewiggestrige Trachten-Truppe.

    Die Radio-Reportage von Kilian Kirchgeßner zeigt in beindruckender Weise, dass sich zwischen Sudetendeutschen, ihren Nachkommen und Bürgern aller Generationen in der Tschechischen Republik vielfach ein nachbarschaftliches und oft freundschaftliches Beziehungsgeflecht entwickelt hat, das ganze Regionen aufblühen lässt. Die letzten Zeitzeugen der Vertreibung helfen mit, in ihrer angestammten Heimat die Dörfer zu pflegen und die alten Traditionen aufleben zu lassen. In Kilian Kirchgeßners Beitrag wurde deutlich: die Heimatvertriebenen und ihre Nachgeborenen sind vielfach zu Botschaftern der Verständigung geworden – ein Weg, der auf beiden Seiten viele Jahrzehnte der Geduld und Beharrlichkeit brauchte.

    Kilian Kirchgeßner sagt hierzu: „Ich bin durch Zufall auf Protagonisten getroffen, die mich tief beeindruckt haben: Die Dame, die regelmäßig in ihren Geburtsort zurückkehrt und jetzt Freundschaft geschlossen hat mit dem viel jüngeren Mann, der heute in ihrem Haus lebt. Und wie die beiden es schaffen, gemeinsam etwas aufzubauen, was es ohne diese Freundschaft nicht gäbe: Bücher, heimatkundliche Schriften, ein Anstecken auch der Nachbarn mit dieser Neugier. Und dann habe ich ein wenig gewühlt, um weitere Beispiele zu finden – und es gab viele davon. Den früheren Manager etwa, der seinen Ruhestand ganz der Versöhnung widmet, weil ihn die Eindrücke aus der Kindheit nicht loslassen. Das finde ich beeindruckende Beispiele – und bemerkenswerte Aspekte für die oft so negativ geführte Heimat-Debatte in Deutschland.“

    Und er fährt fort: „Beeindruckt hat mich vor allem die Erkenntnis, dass oft zwei Seiten an einem Strang ziehen, die jahrelang unversöhnlich schienen: Auf einmal interessieren sich Tschechen für die Vergangenheit des Ortes, die von der deutschen Minderheit, von Sudetendeutschen geprägt war, weil sie merken, dass ohne diese Wurzeln dem Ort eine Seele fehlt. Und die lange angefeindeten Deutschen packen mit an, ganz ohne die oft unterstellten revanchistischen Gedanken - weil sie eine Verantwortung für die Heimat spüren, ob sie nun dort leben oder auch schon lange nicht mehr.“

    Reportagen wie „Das Vermächtnis“ von Kilian Kirchgeßner führen die heilende Kraft der Aussöhnung durch Begegnung und Verständigung vor Augen und verdeutlichen gleichzeitig aber auch, welche Bedeutung Heimat, Identität und Glaube gerade für Heimatvertriebene besitzen. Diese drei Werte bilden zusammen einen harmonischen Dreiklang; fehlt einer dieser Töne, klingen die Laute nicht mehr harmonisch zusammen.

    Lieber Herr Kirchgeßner! Namens der Stifter des  Johnny-Klein-Preises für deutsch-tschechische Verständigung und namens der Jury möchte ich Ihnen herzlich danken, dass Sie durch Ihren Radiobeitrag „Das Vermächtnis“ die Wirkmächtigkeit von Begegnung und Dialog für Verständigung und Aussöhnung bis  hin zu „ungewöhnlichen Freundschaften“ zwischen deutschen Heimatvertriebenen, ihren Nachkommen und unserer tschechischen Nachbarn einer breiten Öffentlichkeit vermittelt haben

    Wir alle sind auf Vorbilder angewiesen, die Mut machen für gelebte Völkerverständigung und die uns den Weg dorthin aufzeigen. Gerade ihr journalistischer Beitrag hat hier eine große Wirkung entfaltet. Unser aller Dank mündet daher in die herzliche Bitte: Bleiben Sie als Journalist diesem Thema verbunden und berichten uns noch viel über engagierte Mitbürger, die das Geschenk der Verbundenheit mit zwei Kulturen in sich tragen und uns so einander näherbringen können.

    Lieber Herr Kirchgeßner: mit Ihrem Sendebeitrag „Das Vermächtnis“ erfüllen Sie auch ein Stück des Vermächtnisses des Namensgebers des Preises, der Ihnen heute verliehen wird. Ich bin sicher: Johnny Klein hat seine Freude an Ihrem journalistischen Wirken in einem Themenbereich, der ihm als heimatverbundenen Mährisch-Schönberger, deutsch-tschechischen Brückenbauer, bekennenden Christen und leidenschaftlichen Europäer eine Herzensangelegenheit war!

2. Preis: Lucie Römer

‚‚Besser als auf's Handy zu starren‘‘

  • Laudatio von Alexander Klein – Verein für Deutsche Kulturbeziehungen im Ausland

    Im Namen meiner Familie danke ich unserem Freund Hartmut Koschyk, dem Initiator und Spiritus Rector dieses Preises. Ich danke den Projektpartnern, der Deutschen Botschaft in Prag, und der Dr. Kurt Linster-Stiftung für die Unterstützung und ich danke den vielen Helfern aus dem Institut für Auslandsbeziehungen und der Landesversammlung der deutschen Vereine in der Tschechischen Republik für die Organisation, und besonders danke ich der Stadt Mährisch Schönberg, der geliebten Heimatstadt meines Vaters.

     

    Stifter dieses 3. Preises, des Nachwuchs-Förderpreises, ist der Verein für Deutsche Kulturbeziehungen im Ausland, dessen Verwaltungsratsvorsitzender mein Vater lange Jahre gewesen ist und dessen Stellvertretender Verwaltungsratsvorsitzender ich bis vor kurzem war. Der Verein für Deutsche Kulturbeziehungen im Ausland, 1881 gegründet, versteht sich als kultureller Mittler, als Brücke zwischen den in aller Welt lebenden Deutschen und ihrer Heimat. Er ist Ansprechpartner und Kontaktstelle für 14 Millionen Auslandsdeutsche, die sich zu ihrer deutschen Kultur und Muttersprache bekennen.

     

    „Alles ist formulierbar, vor allem die Wahrheit“, war die Überzeugung meines Vaters Hans „Johnny“ Klein, war sein Verständnis vom geschriebenen wie vom gesprochenen Wort, war die Latte, an der er zu allererst sich selbst, aber auch die anderen gemessen hat. An dieser Latte gemessen, verdient die 33jährige Lucie Römer diesen Nachwuchs-Förderpreis für deutsch-tschechische Verständigung. Sie schreibt und schrieb in internationalen Medien, engagiert sich für Minderheiten und promoviert derzeit an der Prager Karls-Universität. Sie wohnt in Prag, lebte lange Zeit in Deutschland und spricht fließend Deutsch.

     

    Eindringlich schildert Lucie Römer in ihrem preisgekrönten Artikel mit dem Titel „Besser als auf´s Handy zu starren“, wie und warum die tschechische Unternehmerin Renata Hergetová den Deutschen Friedhof im nordböhmischen Všemily, deutsch Schemmel, sechs Jahre lang mit 20 gleichgesinnten Tschechen, keiner von ihnen mit deutschen Wurzeln, sanierte und dabei rund hundert Gräber restaurierte. Entsprechend den Vorgaben in der Ausschreibung zu diesem Nachwuchs-Förderpreis zeigt dieser Artikel, der in verschiedenen Zeitschriften in tschechischer und deutscher Sprache abgedruckt wurde, einen Weg, wie man zur Erhaltung des Erbes der Deutschen in Böhmen und Mähren beitragen kann. Er befasst sich auch mit der Problematik der deutschen Friedhöfe in der Tschechischen Republik, die zumeist trotz internationaler Abkommen verfallen sind. Und er berichtet über die versöhnliche Geste einer Handvoll Tschechen, die über Jahre ihre Freizeit opfern, um einen verfallenen deutschen Friedhof zu restaurieren.

     

    Ich zitiere aus dem Artikel von Lucie Römer:

    „Über Schemmel geht die Sonne unter, und auf dem Friedhof verlischt langsam das Feuer. Die Totengräber (so nennt Renata Hergetová ironisch ihre Helfer) sehen zufrieden aus. Und das liegt nicht nur an der Arbeit, die sie heute geleistet haben. ,Mir haben diese Aktionen die Hoffnung zurückgegeben, dass auch hier in den Sudeten Menschen leben, die Lust haben, Dinge jenseits ihrer Türschwelle anzupacken’, sagt Hergetová. Die anderen nicken. ‚Früher sah ich das hier vor allem als super Ort für Geschäfte.‘ Heute fallen ihr Dinge auf, die sie früher nicht bemerkte. ,Hier gibt es eine Kapelle, dort ein Kreuz – das weckt Fragen in mir. Je mehr ich das kennenlerne, desto mehr wächst es mir ans Herz’, sagt Hergetová im Rauch des verbrennenden gerodeten Unterholzes zwischen stolz aufgerichteten Grabsteinen.“

     

    So endet Lucie Römers Bericht, mit dem sie – getreu dem Grundsatz meines Vaters– vor allem die deutsch-tschechische Wahrheit formuliert.

     

    Herzlichen Glückwunsch


‚‚Johnny‘‘-Klein-Preis 2016

1. Preis: Steffen Neumann

„Ja, wo reiten sie denn?“

  • Biographie

    Steffen Neumann (*1969) studierte Bohemistik, Russistik und Evangelische Theologie in Halle/S., Prag und Berlin. Der Journalist ist seit 2008 fester Tschechien-Korrespondent der Tageszeitungen Sächsische Zeitung und Freie Presse. Daneben publiziert er im Landesecho und in weiteren deutschen Tageszeitungen und Magazinen. 2003 gründete er das Wirtschaftsportal novost.info. Neben seiner Tätigkeit als Printjournalist arbeitet Steffen Neumann als Moderator, Referent und Übersetzer. Er ist Mitglied beim Journalistennetzwerk n-ost und der Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde. Steffen Neumann lebt in Děčín und Dresden, er hat zwei Kinder.

2. Preis: Andreas Wiedemann

„Deutsche als Opfer?“

  • Biographie

    Andreas Wiedemann (*1970) studierte Neuere und Neueste Geschichte, Osteuropäische Geschichte und Medienwissenschaft in Düsseldorf. Seine Dissertation „Komm mit uns das Grenzland aufbauen!“ über die Wiederbesiedlung der ehemaligen Sudetengebiete erschien 2007 auf Deutsch, 2016 auf Tschechisch. Andreas Wiedemann arbeitete zwei Jahre für ein wissenschaftliches Editionsprojekt über Vertreibung und Wiederbesiedlung in der Nachkriegstschechoslowakei und war ein Jahr lang Redakteur bei den deutschsprachigen Auslandssendungen des Tschechischen Rundfunks (Radio Prag).  Seit 2007 ist er Pressereferent an der Österreichischen Botschaft Prag. Andreas Wiedemann lebt in Prag, ist verheiratet und hat zwei Söhne.

Förderpreis: Tomáš Lindner

„Das Versteck im Kopf“

  • Biographie

    Tomáš Lindner (*1981) studierte Politikwissenschaften in Prag und in Konstanz. Nach dem Abschluss lebte er im südlichen Afrika und auf Island, wo er für NGOs und als freier Journalist arbeitete. Seit 2008 ist er Reporter der Wochenzeitschrift Respekt, wo er über Deutschland, Afrika und die arabischen Länder berichtet. Derzeit leitet er die Auslandsredaktion. Für seine Artikelserie „Flüchtlinge 2015: Die deutsche Inspiration“ wurde er mit dem Preis „Solution Journalism“ der Stiftung Open Society Fond ausgezeichnet. Tomáš Lindner lebt in Prag.